Die postkoloniale Sehnsucht nach dem guten Islam

Gastbeitrag von Tjark Kunstreich

Zur plötzlichen Solidarität mit der iranischen Protestbewegung

Die Solidaritätsbekundungen von prominenten linken Intellektuellen, die in den letzten Tagen erschienen sind, kommen angesichts ihrer bislang weitgehend unkritischen Haltung gegenüber dem Regime der Islamischen Republik ziemlich überraschend. Aufgefallen waren sie bislang eher dadurch, das iranische Regime mit dem Kampfbegriff „Islamophobie“ gegen Kritik zu verteidigen und die Unterdrückung der Frauen und die Verfolgung von Homosexuellen mit kultursensiblem Schweigen zu übergehen. Doch plötzlich scheint sich die Projektion autoritärer Sehnsüchte auf die Verhältnisse im Iran, die keine geringe Bedeutung für deren Stabilisierung gehabt hat, in Luft aufgelöst zu haben; als wäre vorher nichts gewesen, unterstützen von Judith Butler bis Slavoj Zizek alle die Protestierenden auf der Straße. Die Solidarität, die ihnen zuteil wird, ist jedoch alles andere als bedingungslos. So ist im Aufruf von Zizek, Butler, Noam Chomsky und ungefähr 130 anderen postkolonialen Intellektuellen, der im Internet kursiert, eine implizite Warnung enthalten: „Jahre der auslandsgeförderten Demokratie-Werbung in verschiedenen Teilen der Welt haben dazu beigetragen, gegenüber Bürgerbewegungen, die einen Anspruch auf direkte demokratische Legitimation erheben, eine wohlbegründete Skepsis zu verbreiten.“ (http://www.ireport.com/docs /DOC-277500) Dieser Aufruf verweist in erster Linie auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker, jene reaktionäre Formel, die ansonsten zur Verteidigung Ahmadinedschads und anderer Menschenschlächter zur Anwendung kommt. Diesmal kommt sie angereichert mit der Abgrenzung daher, die Bewegung solle sich nicht zu pro-westlich geben, um nicht jene „wohlbegründete Skepsis“ zu rechtfertigen – eine Skepsis mithin, die antidespotische Bewegungen gemeinhin bei jenen hervorrufen, die um ihre Macht fürchten müssen – so viel zum „Sprechort“ der Unterzeichnenden. Am islamischen Charakter der Herrschaft soll sich nichts ändern, ist die Botschaft – so viel zu ihrem Begriff von Selbstbestimmung.

Dagegen ist der in der Taz vom 25. Juni erschienene Aufruf von Teilnehmern der Anti-Schah-Demonstration vom 2. Juni 1967 auf eine fast komische Weise peinlich: „Die gleiche Solidarität ist heute von uns gefordert, wenn im Iran Hunderttausende trotz massiver Unterdrückung auf die Straße gehen, um sich für Demokratie und Menschenrechte einzusetzen.“ Wo diese Leute in den letzten dreißig Jahren waren, ist die falsche Frage: Hans-Christian Ströbele und Bahman Nirumand waren immer Freunde des „kritischen Dialogs“ mit dem Regime. Dass ausgerechnet diese Leute es wagen, ohne ein Wort der Selbstkritik den Mund aufzumachen, bestätigt nur, was man schon immer von ihnen wusste: Es ist, ganz unabhängig vom Inhalt, der rebellische Habitus von Bewegungen, den sie vereinnahmen müssen, damit das, was sie für ihre oppositionelle Aura halten, nicht von der Wirklichkeit dementiert wird.

In einem Text schließlich, der einige seiner Apologeten an dessen Authentizität zweifeln ließ, gibt Zizek den Foucault: Er verharmlost Ahmadinedschad zum iranischen Berlusconi, er leugnet die Gegenüberstellung von westlichem Säkularismus und islamischer Theokratie, er entdeckt mit Michel Foucault, der 1979 die „Authentizität“ der Revolution lobte, den „authentischen“ Impuls der heutigen Protestbewegung: „Das Grün der Mousavi-Unterstützer, die Allah-akbar-Rufe, die an den Abenden von den Dächern Teherans widerhallen, weisen klar darauf hin, dass sie ihre Aktivität als Wiederholung der Khomeini-Revolution von 1979 begreifen, als eine Rückkehr zu ihren Wurzeln, das Ungeschehenmachen ihrer späteren Korrumpierung.“ (http://supportiran.blogspot.com/2009/06/ slavoj-zizeks-new-text-on-iran.html) Der Urzustand, der wieder hergestellt werden soll, die Sehnsucht nach einem „‚good‘ Islam“ (ebd.): alles wird vom Bauchredner der postkolonialen Linken auf den Punkt gebracht. Es ist der Urzustand der Foucaultschen Projektion, der in der islamischen Revolution all das aufgehoben fand, was ihm an der Zivilisation zuwider war. Bereits damals warnte Foucault vor einer Verfälschung dieses imaginierten Urzustands: „Eines muss klar sein: Unter einem ‚islamischen Staat’ versteht niemand im Iran ein politisches Regime, in dem der Klerus die Leitung übernähme oder den Rahmen setzte.“ (Schriften Bd. 3, S. 866) Obwohl genau das in der Folge geschehen ist, kann es in der Logik von Foucault und Zizek einen Ausbruch aus dem Islam dennoch nicht geben: „Wo sollen sie [die so genannten einfachen Menschen, Anm. TK] Schutz suchen und das wieder finden, was sie sind, wenn nicht im Islam, der seit Jahrhunderten das alltägliche Leben, die Familienbande und die sozialen Beziehungen bis ins Einzelne regelt?“ (ebd., S. 858) Diese zynische Frage formulierte  Foucault 1979 als Befürworter der hässlichen Wirklichkeit, in der die Versuche, islamische Gesellschaften zu säkularisieren, gerade gescheitert waren. Eben jene Resistenz des Islam gegen Säkularisierung hat damals ihn wie heute Zizek und andere in seinen Bann gezogen. Heute wie damals soll den Protestierenden die Zumutung aufgebürdet werden, die linke Sehnsucht nach einem guten Islam zu erfüllen oder wenigstens nicht endgültig zu zerstören.

Die weitgehend deckungsgleichen Unterstellungen über die Motive des Protests können folgendermaßen zusammengefasst werden: Die Protestierenden sind enttäuscht vom Regime; der Wahlbetrug habe ihnen die Augen geöffnet; die Protestierenden seien den Idealen der islamischen Revolution verpflichtet und wünschten nichts mehr, als zu deren Wurzeln zurückzukehren. Ob das zutrifft oder nicht, kann von hier aus niemand beurteilen: dass hierbei zugleich eine Sehnsucht eine Rolle spielt, die mit der Bewegung im Iran herzlich wenig zu tun hat, hingegen schon. Diese Linken sind selbst enttäuscht von der offensichtlichen Wahlfälschung, weil man dem iranischen Regime gern noch so etwas wie demokratische Legitimation zugebilligt hat – siehe Nirumand und Ströbele. Sie selbst wünschen sich eine Rückkehr zu den Idealen der islamischen Revolution, weil diese mit den postkolonialen Fetischen der Authentizität und der Unmittelbarkeit verknüpft sind – siehe Zizek, Butler, Chomsky. Die Projektion der autoritären Sehnsucht hat sich also keineswegs in Luft aufgelöst, sie hat sich verschoben, weil die in der Wahlfälschung zum Ausdruck kommende Radikalisierung des Regimes nicht mehr länger geleugnet werden kann. Die Leugnung der nicht auf Israel begrenzten Vernichtungsabsichten des iranischen Regimes war die Grundlage, auf der die Sehnsucht nach dem guten Islam als autoritäre Kultur der Unmittelbarkeit nur gedeihen konnte. Jetzt ist der Lack ab, der ohnehin eher dürftig verdeckte, dass Wahlen dem herrschenden Racket völlig egal sind, ebenso wie die Beziehungen zur Außenwelt. Schon in der Auseinandersetzung um das iranische Atomprogramm war die Tendenz zur Verselbständigung der Zwecke des iranischen Regimes unübersehbar; in der offensichtlichen Wahlfälschung verabschiedete es sich von den herkömmlichen Formen der Legitimation von Herrschaft und demonstrierte der Bevölkerung, dass sie nicht einmal mehr zum Stimmvieh taugt. Insofern kann die Wahlfälschung als Indiz dafür gewertet werden, wie nah sich das Regime an der Realisierung seiner Ziele wähnt.

Vielleicht ist die Ahnung davon das grundlegende Motiv des Protestes und der Opposition im Iran – die Ahnung, dass die Mächtigen sie mit in den Abgrund zu reißen gedenken. Über die Vernichtung Israels und wirre Weltherrschaftsfantasien hinaus hat das Regime nichts zu bieten: das ruft sehr unterschiedliche Kräfte auf den Plan, deren vorläufiger Konsens darin zu bestehen scheint, sich nicht in den angeordneten Untergang zu fügen. Unterdessen ist Michel Foucaults totalitäre Sehnsucht unvergessen. In der Frankfurter Rundschau erinnert man sich anlässlich seines 25. Todestags am 25. Juni 2009 seiner Verdienste um die korrekte Berichterstattung über revolutionäre Bewegungen im Iran: „Foucault, als Denker der Aktualität – eben daran ist heute zu erinnern und vor allem dies ist heute auch zu vermissen“, verhaspelt sich der Autor im postmodernen Sprech. Was er vermisst, kann er nicht genau benennen – es ist jene Unmittelbarkeit, die Foucault damals in der islamischen Revolution entdeckte, und für die heute die Protestbewegung stehen soll: die Unmittelbarkeit des Eigentlichen.

Schon 1978/79 war die Blut-und-Boden-Sprache, mit der Foucault den Islam feierte, Ausdruck der Projektion des eigenen Unglücks in der Zivilisation. Damals aber traf sie auf eine antiimperialistisch gestimmte Revolution, die, wenn sie auch in ihren Anfängen keineswegs so islamisch war, wie Foucault sie sich gewünscht hat, in ihrer Suche nach dem Eigentlichen dem Islam die Tür öffnete. Die gegenwärtige Protestbewegung gibt jedoch keine gleichermaßen gute Projektionsfläche für derlei Suchbewegungen ab, und es besteht die Hoffnung, dass sie sich um die paternalistische Politikberatung postkolonialer Linker, die befürchten, einen wichtigen Bündnispartner gegen Israel zu verlieren, einen Dreck schert. Wer mit den Protestierenden im Iran solidarisch sein will, tut gut daran, sich nicht im Namen der Solidarität mit Kulturrelativisten, Antiimperialisten und Antizionisten einzulassen. Im Gegenteil: Er oder sie muss sich davor hüten, die eigene Hoffnung auf Fortschritt wider besseren Wissens auf das linke Unterschriftenkartell zu übertragen, denn in deren Einlassungen teilt sich bereits, wie auch in der sonstigen Berichterstattung, die Erwartung mit, dass der Protest im Iran niedergeschlagen werden wird. Nirumand, Zizek, Ströbele, Butler, Chomsky et al. wissen letztendlich sehr gut, welche Seite für die Verwirklichung ihrer Sehnsucht nach dem guten Islam zuverlässig einsteht: nicht die Protestierenden, sondern das Regime. Nicht zuletzt deswegen wirken ihre Solidaritätserklärungen im buchstäblichen Sinne billig: sie kosten sie nichts.


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24 Antworten to “Die postkoloniale Sehnsucht nach dem guten Islam”

  1. dr.allesklar Says:

    auf teile der sogenannten linken mag dies ja zutreffen. das macht die ebenfalls kostenlose solidarität, die die menschen in teheran von seiten der neokonservativen und islamophoben ‚achse des guten‘ erfahren, nicht weniger heuchlerischer. diese ist nämlich lediglich dem missverständnis geschuldet, hier gehe es gegen „den islam“ und für die baldige eröffnung von h&m filialen in isfahan.
    ergo: weder die „rechten“ noch die „linken“ interessieren sich für die menschen im iran. beide seiten versuchen lediglich, den dortigen aufstand für ihre eigene agenda zu instrumentalisieren.

  2. anti Says:

    Großartig, Tjark. 🙂
    Ansonsten, an den guten Simpel über mir:
    Weder ist die Achse des Guten rechts, noch ist sie heuchlerisch.
    Aber um nicht für sie zu sprechen, sondern für mich, als gemeinhin als neokonservativ gescholtener Antideutscher:
    Tatsächlich besteht die begründete Hoffnung, dass – wie Tjark bereits ausführte – die Menschen sich dem Westen öffnen, ihre Antipathie gegenüber Israel fallen lassen und sich der allgemeinen wie individuellen Emanzipation zur Verfügung stellen.
    Wenn es denn hier gegen den Islam geht, mit anderen Worten jenes widerwärtige Überbleibsel des Mittelalters, das nach wie vor Frauen zum Objekt von Männern macht in einer Vehemenz, vor der selbst westlich-patriarchale Gesellschaften mit guten Gründen zurückschrecken (wenn auch oft nur um die eigene Verhaftetheit zu überspielen), umso besser!
    Abhängig davon ist die Solidarität mit den iranischen Menschen die nach Freiheit streben keineswegs. Wohlgemerkt – mit den iranischen MENSCHEN, die nach Freiheit streben, das heißt explizit nicht mit den iranischen Muslimen, die mit Freiheit IHRE Freiheit meinen, das heißt explizit nicht mit den islamischen Männern, die mit Freiheit IHRE Freiheit meinen, das heißt explizit nicht mit totalitären Strömungen westlicher Politikberater die statt einer Öffnung zum Liberalismus gleich die Ablösung durch ein Elendsregime chavistischen Ausmaßes wollen, sondern schlichtweg mit jenen, die sich gegen die Unterdrückung schlechthin richten.
    Und wenn sie das tun, um ihre Kopftücher gegen H&M Schals einzutauschen – ich werde sie ihnen sicherlich nicht verwehren.
    Die Rancune gegen den westlichen Luxus, und sei er noch so klein, die unverhohlene Sympathie mit dem Islam und der schwächliche Versuch „die Linke“ zu verteidigen – im Jargon einer eigentlichen Linken (die anderen sind ja nur die „sogenannte“ Linke), wird hier schon wieder klar um was es eigentlich geht.
    Um einen durch und durch deutschen Politikberater – in diesem Fall der Geschmacksrichtung rot, was immerhin sympathischer ist als grün oder braun – der auch hier das Streben nach Freiheit nur dann für Verfolgenswert hält, wenn es dem Volksmob in den Kram passt.

  3. dr.allesklar Says:

    interessant, dass „dem islam“ (in den augen der neocons ja ein monolithischer block) immer mit dem mittelalter in verbindung gebracht wird. dabei sind seine ansichten doch viel eher mit denen der 50er und frühen 60er jahre in europa/usa vergleichbar. und wenn „der islam“ so ein hässliches überbleibsel aus grauer vorzeit ist, warum dann nicht auch christentum, judentum, ja selbst der gute alte buddhismus? religionsranking ist sicherlich nicht angebracht.
    eine mangelnde aversion gegen alles, was muslimisch riecht, als „sympathie mit dem islam“ auszulegen, zeugt ebenfalls nicht von besonders komplexer denkweise.
    freiheit, ach… ja, schön wär’s. leider gibt es sie nicht, nicht unter der herrschaft religiöser fanatiker und auch nicht im abendländischen kapitalismus, wo es zwar ein wenig mehr davon gibt, jedoch am meisten für den, der sichs leisten kann.. noch nicht mal im eigenen kopf ist mensch freui, denn gedanken und meinungen sind auch manipuliert. so wie in diesem blogbeitrag nachzulesen.

    • EinFragender Says:

      Der Islam ist nun mal im Jahre 622 n Chr. stehen geblieben und nicht mit den 50er und 60er Jahren in Europa oder den USA zu vergleichen.
      Die Aussagen zur Poligamie, zur Zeitehe, zu den Rechten der Frauen und der Einstellung zur Gewalt etc… Das „Christentum, da Judentum, ja selbst der gute alte Buddhismus“ sind schon lange viel viel weiter.
      Lies mal den Koran, lies mal die Bibel und vergleiche mal. Selbst die vermeintlich schlimmsten Stellen im AT beinhalten nichts was zum Beispiel mit der Beutesure gleichzusetzen ist. Etc…

      Ich weiß nicht was Du vom Islam weißt, aber schau mal nach Saudi Arabien oder in den Iran.

    • dr.allesklar Says:

      wer hier keine ahnung hat, ist doch offensichtlich. „der islam ist 622 stehen geblieben“ – damit ist klar, worum es geht: ideologie, nicht wissen. und das die bibel „weniger schlimm“ sein soll als der koran ist – tut mir leid – unzulässiger relativismus. man kann aus beiden büchern jeden unsinn dieser welt begründen, es sind aber beides eigentlich spirituelle bücher, keine wissenschaftlichen abhandlungen.
      und informieren sie sich mal über die moral der 50er, bevor sie hier von mittelalter faseln (das im 7. jahrhindert freilich noch gar nicht begonnen hatte…).

  4. antifo Says:

    Die im Artikel zitierten Schreiberlinge haben insofern recht, als ein Herumreiten auf dem Antagonismus Islam/westlichen Werten Wasser auf die Mühlen derjenigen ist, die etwa die Todesstrafe für die Demonstranten fordern, weil sie die Verteidigung der jetzigen Ausprägung der islamischen Republik und den Islam in eins setzen.

    Der Antagonismus Islam/westliche Werte besteht natürlich, aber er ist eben nicht der Kern der jetzigen Auseinandersetzung im Iran. Und es ist auch nicht notwendig, diesen Antagonismus zu leugnen, um sich auf die Seite Mussawis stellen zu können.

    Auf den Punkt bringt der Kommentator „Apollo“ die Sache in

    http://townhall.com/columnists/DianaWest/2009/06/25/pundits,_get_out_of_irans_green_zone?page=full&comments=true

    Mousavi is part of a power struggle within the Islamonazi terrorist regime between reformists and conservatives. He is a true son of the revolution, a Khomenie jihadist wanting to restore the purity and spirit of 1979 and form a more deceptively softer, engaging, accomodating foreign policy.

    But behind Mousavi are pro-democratic forces who want to be rid of the mullahs and want the imperfect, illiberal Moslem democracies that Iraq and Afghanistan have. The brutal crackdown is serving to swell the thirst for liberty increasing the number of anti-Khomenists who want a representative government and are ready to take up arms in their cause. Surely any of us would prefer such a government to the apocalyptic zealots who are leading Iran to destruction.

  5. Kapoin Says:

    An den Herrn Doktor, der seinen Titel wirklich verdient hat – so theoretisch fundiert wie er schreibt.

    Für den Dorfatheisten, der sich weigert zwischen Religionen zu unterscheiden, ist „Religionsranking“ wirklich ein Frechheit arroganter westlicher Schnösel. Besonders „komplexe Denkweise“ derjenigen denen Alles-Klar ist, führt wohl dazu, kein Schwarz/Weiß mehr zu erkennen, sondern nur noch bunt, besser: grau.

    Wenn alle Katzen grau sind, ist auch der „abendländische (!) Kapitalismus“ kaum mehr besser als die Bandenherrschaft im Iran. Bürgerrechte gibts ja bekanntlich nur für Millionäre, bzw. bemißt sich der Grad von Freiheit an der Anzahl der Ferienwohnungen. Als wäre der Kapitalismus im Iran irgendwie gänzlich abwesend, wo doch eigentlich nur seine guten Seiten fehlen – die (Un)Freiheit des Warenbesitzers. Wenigstens schafft der Dokotor noch die Selbstdiagnose Schizophrenie, im letzten Satz.

  6. dr.allesklar Says:

    wieder was gelernt: grau ist also gleich bunt. eine interessante farbenlehre. eine erklärung, warum die eine religion der anderen angeblich überlegen sein soll, ist dies aber leider auch nicht. und dass jemand, der die unter neoliberalen ja so beliebten rankings ablehnt, sich weigern soll, überhaupt unterschiede zu erkennen, wird damit auch nicht hinreichend begründet. ist ja auch nicht notwendig: dass die muslime unser unglück sind, wissen alle – von der bzö bis zur npd, von pro köln bis zur csu.
    nur gut, dass im schönen kapitalismus bislang noch eine gewisse meinungsfreiheit existiert, so dass man solche kruden thesen als unfug bezeichnen darf. danke, herr ackermann.

  7. anti Says:

    Es geht hier auch nicht um eine besonders komplexe Denkweise.
    Für Leute wie dich, die generell Aspekte toll finden und mal alles aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten, mag es ja unverständlich sein, keine „komplexe Denkweise“ zu Folter, Todesstrafe und ähnlichen Späßen zu entwickeln, für mich gehört es zu den unverhandelbaren Grundlagen von Kritik.
    Was Christentum, Judentum und den Buddhismus anbelangt, so dürfen die meinethalben auch entsorgt werden, aber die Scheinkritik dient auch hier wieder nur dazu den Islam zu entlasten – meines Wissens nach gibt es auch weder eine christliche, noch eine jüdische Republik die annähernd die Verquickung staatlicher Prinzipien mit religiösen Glaubenssätzen so vollziehen wie es die ISLAMISCHE Republik Iran tut.
    Man darf mich da gerne korrigieren – was keine Einladung für dich sein soll an Israel herumzukritteln, auch wenn du dir das sicherlich dennoch nicht freiwillig entgehen lässt.

  8. dr.allesklar Says:

    an israel habe ich genausowenig etwas zu kritisieren wie am iran, den usa oder dem sudan. wohl aber an der politik der regierungen dieser länder.
    wenn folter und todesstrafe für dich nicht gehen, bin ich bei dir. andere fragen sind jedoch keineswegs so schön eindeutig und bedürfen indeed der kritischen relativierung (bitte nicht mit relativismus verwechseln, danke).

  9. Stoff für’s Hirn! « abseits vom mainstream – heplev Says:

    […] Die postkoloniale Sehnsucht nach dem guten Islam erklärt einiges zu plötzlichen Solidaritätsbekundungen mit der iranischen Protestbewegung und der zugehörigen Motivation seltsamer Leute mit 68-er-Sehnsucht und –Vergangenheit. […]

  10. unGeDuLdig Says:

    Zwei kleine Einwände bzw. Ergänzungen zum ansonsten guten Beitrag:

    „Die Protestierenden sind enttäuscht vom Regime; der Wahlbetrug habe ihnen die Augen geöffnet; die Protestierenden seien den Idealen der islamischen Revolution verpflichtet und wünschten nichts mehr, als zu deren Wurzeln zurückzukehren. Ob das zutrifft oder nicht, kann von hier aus niemand beurteilen“

    Natürlich kann man eine solche, scheinbar aus dem Nichts kommende Massenbewegung nicht bis ins letzte abwägen. Doch selbst beim oberflächlichen Durchsehen der zahlreichen Twitter und YouTube-Videos lässt sich der Anteil derer nicht leugnen, die keineswegs für den „wahren Islam“ auf die Strasse gehen. Ist nur so’n Eindruck, wenn Tausende vor einer brennenden Bassidsch-Wache „Tod der islamischen Republik!“ skandieren. Vielleicht betreibe ich hier politisches Kaffeesatzlesen, aber z.B. die „Allah-i akbar“-Rufe scheinen hauptsächlich zu erschallen, wenn die Leute Schüsse hören oder in Todesangst geraten. Daraus lässt sich nicht einfach Sehnsucht nach den good old days von 1979 ableiten. Freilich wäre es mehr als nachlässig und geschichtsvergessen, das religiöse Element, den schiitisch gefärbten Märtyrerkult um Neda usw. zu übersehen.

    „dass Wahlen dem herrschenden Racket völlig egal sind“

    Ohne pedantisch sein zu wollen, wäre hier besser „relativ egal“ gesagt. Die iranische Regierung kann nicht gut auf die demokratische Inszenierung verzichten, insbesondere Ahmadinedschad verkauft sich als Kandidat des frommen Volkes, als einfacher Mann, der die vom Pfad abgekommene Revolution retten will. Was zutrifft, ist, dass das Wahlergebnis ihnen wirklich egal ist, aber nicht die Illusion, dass sie den islamischen Volkswillen vertreten. Notfalls rollen die Panzer, und es könnte recht bald geschehen, wenn die Kontrolle über Presse und Internet wiederhergestellt wird. Doch der Preis für die chinesische Lösung wäre hoch und beinhaltet die Möglichkeit, dass die Armee und die Polizei Khamenei entgleiten.

  11. Mr. Moe Says:

    interessant, dass “dem islam” (in den augen der neocons ja ein monolithischer block) immer mit dem mittelalter in verbindung gebracht wird. dabei sind seine ansichten doch viel eher mit denen der 50er und frühen 60er jahre in europa/usa vergleichbar.

    Wer findet den Widerspruch?
    (Kleiner Tipp: Die absurde und nur auf ein absolutes Unwissen zurückzuführende Aussage, dass Neocons den Islam als monolithischen Block ansehen, ist nicht gemeint)

    • dr.allesklar Says:

      danke für ihre korrektur. mir ist durchaus bewusst, dass die aussage „seine werte“ ebenfalls den eindruck erweckt, es handele sich um einen monolithischen block. ich hätte es besser formulieren sollen: die werte, die man (besonders jene neocons) mit ihm in verbindung bringt, also sexualfeindlichkeit, ehrbegriff, frauenunterdrückung etc., waren in europa noch bis weit in die 60er jahre standard.

    • dr.allesklar Says:

      …und sind es vielerorts heute noch.

  12. Mr. Moe Says:

    @dr.allesklar:

    danke für ihre korrektur.

    Immer gerne. Wobei Ihre Aussage über die Neocons immer noch falsch ist.

    • dr.allesklar Says:

      …was zu beweisen wäre. die neocons sind allerdings auch kein monolithischer block. trotzdem sehen viele von ihnen in der islamischen religion einen abstrakten wie einheitlichen feind, den es zu bekämpfen gilt

  13. Mr. Moe Says:

    @dr.allesklar:

    …was zu beweisen wäre.

    Falsch. Zu beweisen wäre ihre wagemutige Behauptung. Sie mögen es anders sehen, aber ich bin der Meinung, dass die Beweislast beim Ankläger liegt, zumal dann, wenn Sie vollkommen offensichtlich Nonsens ist.
    Abgesehen davon relativieren Sie Ihren Irrtum mit der Aussage, dass die Neocons „kein monolithischer Block“ ja bereits. Und machen mir das „beweisen“, nebenbei gesagt, unmöglich: denn jeder Beleg den ich lieferte, können Sie jetzt ja mit „das ist ja auch kein monolithischer Block“ bei Seite wischen.
    Zudem gilt, auch wenn Obama anderes suggerieren mag: auch die Neocons (oder die Bush-Regierung) befinden sich nicht im Krieg mit „der islamischen Religion“ bzw. „der islamischen Welt“. Sehr wohl und völlig zu Recht aber mit deren islamofaschistischen Auswüchsen.

    • dr.allesklar Says:

      mit wem oder was sich die neocons im krieg befinden oder zu befinden wähnen, ist momentan uninteressant. die haben gottlob nichts zu melden. somit bleiben uns vorerst auch unsinnige kampfvokabeln wie „islamofaschistisch“ erspart.

  14. Mr. Moe Says:

    @dr.allesklar:
    Wussten Sie nicht, dass die Neocons im Hintergrund nach wie vor alle Fäden in der Hand haben? Die sind doch fast so mächtig wie die „Israel Lobby“!
    Im Krieg mit den Islamofaschisten befinden sich übrigens nicht nur die Neocons, sondern auch Sie, ob es Ihnen passt oder nicht.

    • dr.allesklar Says:

      Nein, nein, eigentlich regieren uns die Tempelritter. Und die Welt ist innen hohl 😉
      Wenn ich mich im Krieg befinden sollte, dann höchstens mit jedem Feind von vorurteilsfreiem, grenzenüberwindendem Denken und daraus resultierendem Handeln. Bezeichnungen wie Neocon, Islamofaschist, Neonazi oder Antideutscher helfen da freilich wenig…

  15. Mr. Moe Says:

    @dr.allesklar:
    Sie selbst haben die Bezeichnung „Neocon“ doch benutzt…

    • dr.allesklar Says:

      wer von euch ohne fehl ist, werfe den ersten stein… sprachliche verallgemeinerungen sind einerseits ärgerlich, andererseits praktisch. was soll man machen?

  16. Mr. Moe Says:

    @dr.allesklar:
    Ich werfe hier keine Steine. Und wenn „sprachliche verallgemeinerungen“ „praktisch“ sind, was spricht dann gegen einen Begriff wie „islamofaschistisch“? Oder dürfen nur Leute wie Sie, denen „alles klar“ ist, verallgemeinern?


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