Sehr geehrter Herr Mezger,
Vielen Dank für ihre Antwort auf unseren „Offenen Brief“ hier und hier und anderswo dokumentierten an Sie.
Wir sehen uns durch diese Antwort jedoch in keinster Weise widerlegt. Wie Sie wahrscheinlich wissen, hat Ahmad Tavakkoli, ein Vertreter der Hardliner im sogenannten Parlament der Islamischen Republik, sich bitter bei Herrn Mousavi über die auf dem Al Quds Tag gerufenen Parolen beklagt: Auf den Demonstrationen hätten „nicht wenige“ von Mousavis Anhängern unter anderem „Freiheit, Unabhängigkeit, Iranische Republik“ und „Weder Gaza, noch Libanon, mein Leben für den Iran“ gerufen. Daraus folge, dass die Oppostionsbewegung unvereinbar mit den Grundlagen der Islamischen Revolution sei – zu denen, wie wir bereits feststellten, natürlich Antisemitismus und Antizionismus gehören. Mousavis Berater Beheshti erwiderte, dies seien gar nicht Mousavis Leute, der möge die Parolen der iranischen Demonstranten auch nicht und schuld an dem ganzen Schlamassel sei die Ahmadinejad-Fraktion.
Dass die zentralen Slogans der Protestierenden ihre Abneigung gegen den islamistischen Terror der Islamischen Republik ausdrückten, gibt das Regime also selbst zu. Wir konnten aber leider auch in den der Tagesschau vom 18.9.09 folgenden Tagesthemen keinen Hinweis darauf finden, dass Sie, wie Sie in ihrer Antwort schreiben, die Parole „Nicht Gaza und Libanon usw.“ später dokumentiert hätten. Dass radikale, gegen das System der Islamischen Republik gerichtete Slogans auf den Oppositionsdemonstrationen auch gegen den Willen von Mousavi und Karroubi gerufen wurden, erscheint uns nur umso bemerkens- und berichtenswerter.
Wir möchten anhand des folgenden Videos noch einmal die Dramatik der Ereignisse dieses Tages betonen. Auf dem Transparent, das die Menschen abreissen, steht geschrieben: „Palästina ist die Grundlage der Einigkeit. Israel ist der gemeinsame Feind.“ Dies ist die Essenz des Al-Quds-Tages, den Khomeini nicht umsonst sofort nach seiner Machtübernahme als Mobilisierungstag für den internationalen Islamismus etabliert hat. Ein solches Transparent vor aller Öffentlichkeit zu zerstören, kommt im iranischen Gottesstaat einem todeswürdigen Sakrileg gleich. Wer dies tut, kann vom Regime als „Feind Gottes“ und „zionistischer Agent“ gebrandmarkt werden und riskiert sein Leben. Allein dieser Akt zeigt somit, wie groß im Iran die Abneigung gegen alles ist, was für die islamistische Terrorpolitik der Machthaber im Iran steht.
Wenn die heiligsten Parolen eines Regimes in der Bevölkerung Abscheu hervorrufen und wenn auch die Versuche scheitern, den Protest in reformerische Bahnen zu lenken, dann nennt man so etwas in der Regel eine revolutionäre Situation. Trotzdem wird es dem Regime immer wieder gelingen, durch Terror und aussenpolitische Expansion seine innere Schwäche zu kompensieren, solange der Westen und vor allem Deutschland ihre politische und wirtschaftliche Unterstützung des Regimes nicht beenden. Wir sind jedenfalls gespannt auf die Ereignisse bei den kommenden Protesten im Iran und werden die deutsche Presseberichterstattung darüber genau beobachten.
Herr Mezger, Sie schreiben am Ende ihrer Entgegnung auf unseren offenen Brief: „Dass Sie in Ihrem Brief Herrn Ahmadinedschad als ‚strategischen Partner’ für Deutsche sehen, das war mir bislang nur aus der Neonaziszene bekannt.“ Dass Sie die Rede von einer „Strategischen Partnerschaft“ mit der Islamischen Republik spontan mit dem Gedankengut von Neonazis assoziieren, finden wir durchaus nachvollziehbar. Die NPD ist selbstverständlich entzückt über den Holocaustleugner Ahmadinejad und sein Regime. Wir bezogen uns aber mit dem Satz „Man hat einen strategischen Partner im Geiste verloren“ auf bekannte und gerne zitierte Politikberater wie den Vorsitzenden der „Stiftung Wissenschaft und Politik“, Volker Perthes oder Christoph Bertram, der ein ganzes Buch mit dem Titel „Partner, nicht Gegner. Für eine andere Iranpolitik“ versehen hat. Sie sind es, die immer wieder für eine „europäisch-iranische Partnerschaft mit strategischen Dimensionen“ (Perthes) geworben haben. Von einer Nähe beider zur Neonaziszene ist uns nichts bekannt. Es hat aber seine Logik, dass Israel zur eigentlichen Bedrohung des Weltfriedens stilisiert wird, wo die iranische Diktatur zum strategischen Partner gemacht werden soll.
Mit freundlichen Grüßen, Fathiyeh Naghibzadeh und Andreas Benl,
Mitglieder des Bündnisses „Stop the Bomb„, 30.9.2009
2. Oktober 2009 um 15:00
Eine ideologische Nähe der beiden zur Neonaziszene, über die Anknüpfungspunkte Islamophilie und Kumpanei mit dem iranischen Regime, ist durchaus vorhanden.