Es ist nicht klar, was eigentlich bizarrer und skandalöser ist; daß ARD und ZDF, höchstpersönlich vertreten durch den ARD-Vorsitzenden Peter Boudgoust und den ZDF-Intendanten Markus Schächter, eine Delegation des Staatsrundfunks der Islamischen Republik Iran, angeführt von dessen Chef Ezzatollah Zarghami sowie dem iranischen Botschafter in Berlin, Ali Reiza Sheik Attar, zum netten Geplauder auf dem Lerchenberg empfangen haben – oder daß sich für diese Plauderrunde in Deutschand niemand interessiert. So, als sei das etwas völlig normales.
Muß man es denn dazu sagen? Daran erinnern, daß die Islamische Republik Iran mittlerweile zu der Handvoll Länder auf diesem Globus mit der höchsten Verhaftungsrate für Journalisten und Blogger zählt? Daß hier Journalisten ermordert, gefoltert und ins Exil getrieben werden? Daß hier Zeitungen geschlossen und freie Berichterstattung verhindert wird? Überhaupt, daß der Staatsrundfunk der Islamischen Republik Iran ein staatliches Propagandainstrument ist? Hier & hier die laufende Chronik des Terrors gegen Journalisten im Iran von Reporters Sans Frontiers.
Die erstaunte Frage bleibt, was hat die zwei öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Deutschlands dazu gebracht, ohne Not (?!) hochrangige Vertreter eines diktatorischen Regimes einzuladen, das international unter hohem Druck steht und zur Zeit kaum damit rechnen kann außer von randständigen Freunden oder aus politischem Kalkül herzlich empfangen zu werden?
Das iranische Regime jedenfalls freut sich über die Aufwertung. Der Propagandsender Press TV meldet:
The German ZDF and ARD-TV had invited Zarghami to Germany, where they made their request for stronger ties. […] During the meeting, the exchange of popular programs, movies, TV dramas, animations and documentaries were discussed. The German channels expressed their special interest in cooperation in the area of news. Zarghami expressed confidence in future collaborations with European media outlets. “I believe based on the interest of the two nations in one another … and notwithstanding some historical and political ups and downs, we can have a very constructive cooperation and help bring our two nations closer,” Zarghami said. The IRIB chief expressed hope that Iranian programs would be aired in Germany soon.
Schön, soviel Kooperationswille. Man darf also hoffen, in Zukunft auch die Sicht des Teheraner Regimes etwas offensiver in der deutschen Berichterstattung vertreten zu sehen. (Erste Vorschläge dazu hier). Oder wie sagte der iranische Staatsrundfunkchef: “ZDF and IRIB are two powerful organizations which can engage in extremely worthy cooperation in the field of media. The people of Iran and Germany will be able to see the results.”
Was haben sich die Spitzenköpfe der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten dabei eigentlich gedacht? Haben sie etwas gedacht? Die Vorstellung, daß sie sich dabei etwas gedacht haben, ist eigentlich noch grusliger als die Vermutung, sie hätten nichts dabei gedacht. Gar nichts.
Wie nett die Stimmung bei dem Besuch auf dem Lerchenberg jedenfalls war, kann man sich bei homylafayette ansehen. Soviel Aufgeräumtheit. Bei den deutschen Fernsehchefs und bei dem iranischen. Ob da wohl – außer Technikvorführung und dem innigen Wunsch, doch bitte, bitte wieder öffentlich-rechtliche Reporter in den Iran schicken zu dürfen -, auch noch ein bißchen Raum geblieben ist, um solche Marginalien wie Pressefreiheit und Menschenrechte zu erwähnen? Wenigstens ganz kurz fürs Protokoll? Oder hat man das nicht einmal fertiggebracht?
Ja, man wüßte es gerne. Überhaupt wüßte man gerne, über was da gesprochen worden ist und mit welchem Ziel. Zumal eine gleichartige Einladung an die Iraner in Holland kurzfristig abgesagt wurde. Vielleicht guckt bei denen ja noch ab und zu jemand Nachrichten, während man bei ARD & ZDF womöglich vor lauter Gebührenzählen gar nicht mehr dazu kommt.
Anfragen an die Presseabteilungen von ARD & ZDF sind bisher unbeantwortet geblieben.
13. Juli 2010 um 11:15
[…] This post was mentioned on Twitter by Ulrike Beudgen. Ulrike Beudgen said: @weselpower @clownfish79 @shary20 FREE IRAN NOW! – ARD & ZDF. Hier sitzt das iranische Regime noch in der ersten Reihe http://bit.ly/aJqflq […]
13. Juli 2010 um 17:12
Sehr geehrte Damen und Herren,
Interessierte haben sich gestern und heute über Blogs und
in e-mails an uns gewendet, um zu erfahren, ob es
Kooperationsgespräche zwischen dem SWR und dem staatlichen iranischen Rundfunk gibt. Die Antwort ist einfach: Es gibt keine Kooperationsgespräche und keine
Kooperationsvereinbarung. Es gab vergangene Woche einen Informationsaustausch.
Warum?
Der staatliche iranische Rundfunk hat sich an den SWR gewendet, der für die Hörfunkberichterstattung über Iran zuständig ist. Die Delegation war an den technischen
Standards und den Produktionsbedingungen bei uns
interessiert. Daher bekamen sie eine entsprechende Führung durch den SWR Hörfunk.
Der SWR hat die Delegation bei dieser Gelegenheit darüber
informiert, dass er seine unabhängige Berichterstattung aus Iran künftig stärken möchte. Wir möchten dadurch intensiver in unseren Programmen über die politische, kulturelle, wirtschaftliche und religiöse Situation in der Islamischen Republik Iran berichten.
Nur durch eine regelmäßige Präsenz unseres eigenen
Hörfunk-Korrespondenten vor Ort kann eine umfassendere
unabhängige Berichterstattung gewährleistet werden. Um dies umzusetzen, benötigen wir die Möglichkeit, jederzeit in das Land ein- und auszureisen und müssen vor Ort ein Büro eröffnen können.
Gerade im vergangenen Jahr haben wir gemerkt, wie wichtig unsere unabhängige Berichterstattung ist: Nur wer vor Ort ist, kann sich ein eigenes Bild machen, und daher reisen unsere Korrespondenten, wann immer es bislang möglich ist, nach Iran, um unsere Hörerinnen und Hörer aus erster – unabhängiger – Hand zu informieren.
Es ist unsere ureigenste journalistische Pflicht aus und
über Staaten jeglicher politischer Couleur zu berichten –
kritisch und distanziert. Unser Interesse ist es daher, auch
die unabhängige, freie Berichterstattung aus Iran zu
gewährleisten.
SWR Intendant Peter Boudgoust hat bei dem Termin daher sehr klar die Bedeutung der Pressefreiheit und die
Staatsunabhängigkeit des Rundfunk sowie die Bedeutung eines staatsfernen Rundfunk für die Demokratie herausgestellt und das Interesse an einer freien Berichterstattung bekundet.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. David Biesinger
stv. Chefredakteur Hörfunk
SÜDWESTRUNDFUNK
14. Juli 2010 um 13:46
[…] Kooperation ist keine Einbahnstarße! Das Besuchsprogramm eines Revolutionsgardisten in Deutschland wurde mit GEZ-Geldern gezahlt, Praktikanten en route Teheran dagegen mit […]