Öffentlich-rechtlich-schizophren: Besucherbetreuung auf hohem Niveau oder doch mehr Kritischer Dialog?

Jetzt weiß man endlich, wofür so ein Fernsehintendant auf der Welt ist. Zumindest im Selbstbild des Zweiten Deutschen Fernsehens. Der Intendant sitzt herum, wahrscheinlich in der Kantine und wartet auf Besucher die „einen kurzen Routinebesuch“ unternehmen wollen. Die führt er dann herum. Das ist ein Top-Service für die vielen „internationalen Gäste“, die sich einmal beim Öffentlich-rechtlichen Fernsehen in Deutschland umsehen wollen. So wie am 7. Juli, als der Chef des iranischen Staatsrundfunks IRIB und der Botschafter der Islamischen Republik von dem hochkarätigen Gästebetreuer am Lerchenberg begrüßt wurden.

Das ganze sei also, so die Pressestelle des ZDF, die mittlerweile eine Meinung zu diesem Besuch gefunden hat, nur ein „Routinebesuch“ gewesen, bei dem man dem iranischen Fernsehchef „wie vielen anderen internationalen Gästen zuvor“ einfach ermöglich habe, das Nachrichtenstudio des ZDF zu besichtigen. Und Vertreter der iranischen Regierung habe man auch nicht zu Gast gehabt, nein, nein, „sondern eine Delegation der iranischen Radio- und Fernsehanstalt in Begleitung des iranischen Botschafter Ali Reiza Sheik Attar“. Womit deutlich geworden ist, daß sich die Pressestelle des ZDF bei einer der verzwickten scholastischen Diskussionen des Spätmittelalters etwa über die Frage wieviele Engel auf eine Nadelspitze passen, auch nicht schlecht geschlagen hätte.

Ob ZDF-Intendant Markus Schächter bei dem „kurzen Routinebesuch“ noch Zeit gefunden hat, die etwas diffizile Situation der Menschenrechte und der freien Meinungsäußerung im Iran gegenüber dem Chef des iranischen Staatsfernsehens anzusprechen, von der massiven Verfolgung von Journalisten einmal ganz zu schweigen, darüber schweigt die ZDF-Pressestelle allerdings lieber. Fernsehchefs mit Botschafter: alles ganz unoffiziell. Da klingeln ein paar Iraner an der Tür, natürlich man läßt sie herein, sie wollen sich ja nur ein bißchen umgucken. Mehr war da doch nicht, es ist jedenfalls eine rührende Geschichte.

Die ARD in Form des SWR will uns allerdings partout eine andere Geschichte erzählen. Dort will man der iranischen Delegation bei ihrem Besuch in Stuttgart sozusagen energisch gegenübergetreten sein. Und man hat sich sogar mit einer „Antwort des SWR auf Protestbriefe zum Treffen deutscher Sender mit IRIB-Chef Zarghami“ direkt ins Internet begeben, um das auch zu dokumentieren. Ein Informationsaustausch sei es nur gewesen, es gäbe keine Kooperation, und dann purzeln die Worte nur so, „unsere unabhängige Berichterstattung“, „ureigenste journalistische Pflicht“, „kritisch und distanziert“, und erneut: „unabhängige, freie Berichterstattung aus Iran“. Der Höhepunkt:

„SWR Intendant Peter Boudgoust hat bei dem Termin daher sehr klar die Bedeutung der Pressefreiheit und die Staatsunabhängigkeit des Rundfunk sowie die Bedeutung eines staatsfernen Rundfunk für die Demokratie herausgestellt und das Interesse an einer freien Berichterstattung bekundet.“

Na immerhin, beim ZDF hat man dafür keine Zeit angesichts des „kurzen Routinebesuchs“ gefunden. Aber ob der mutige  SWR die Vertreter des iranischen Regimes wohl sehr beeindruckt hat? Immerhin unterdrückt man in Teheran nicht nur das eigene Volk und die eigenen Journalisten, sondern stört auch gezielt und massiv den Empfang der Deutschen Welle und anderer westlicher Sender. Na immerhin, beim ZDF hat man dafür keine Zeit angesichts des „kurzen Routinebesuchs“ gefunden. Aber ob der mutige  SWR die Vertreter des iranischen Regimes wohl sehr beeindruckt hat? Immerhin unterdrückt man in Teheran nicht nur das eigene Volk und die eigenen Journalisten, sondern stört auch gezielt und massiv den Empfang der Deutschen Welle und anderer westlicher Sender. Woraufhin Erik Bettermann, der Intendant der deutschen Welle, im Februar dem Iranischen Botschafter geschrieben hat: Die wiederholten Einschränkungen der Meinungs- und Medienfreiheit durch die iranische Führung seien „nicht länger hinnehmbar“. Aber so ist er eben, der „kritische Dialog“; die Iraner bekommen ihre gewünschte Propagandameldung mit netten Bildern und der deutsche „Dialogpartner“ steht da als der Trottel, der er ist.

Der Chef der staatlichen iranischen Propagandarundfunks, Ezzatollah Zarghami, übrigens, dessen technischer Neugierde man überall beim Öffentlich-rechtlichen so freundlich begegnet ist, hat den Mord an der protestierenden Studentin Neda Agha-Soltan im letzten Sommer als Auftragsarbeit aus dem Westen denunziert, und ist vermutlich ein hochrangiges Mitglied der „Revolutionsgarden“ – die nun speziell im Fokus der neuesten Sanktionen der UN gegen den Iran stehen. Dem Botschafter an seiner Seite, Ali Reza Sheik Attar, wird die persönliche Beteiligung an Greueltaten nachgesagt, der Mann war mal Gouverneur in Iranisch-Kurdistan. Aber bei ARD & ZDF macht man für „kurze Routinebesuche“ halt gerne die Tür auf.

Nur eine letzte seltsame Fragen kommt auf: Wenn es denn so gar keine Kooperation und gar keine Absprachen mit den Iranern gibt, wie sich ARD & ZDF beeilen zu erklären, warum widerspricht man dann nicht einfach nicht der Darstellung in den iranischen Staatsmedien? Da steht nämlich, daß man von den Deutschen eingeladen worden sei, die kooperieren wollten, worüber man sich eben unterhalten habe.

Seltsame, heiße sommerliche Welt. Das deutsche öffentlich-rechtliche Fernsehen und das Knarren eines Galgens. Aber wir stören uns nicht daran. Wir lesen noch ein bißchen in den „Programmperspektiven für 2009 /20010“ des ZDF. Da stehen wichtige Sätze drinnen: „Für das große Ganze. Gesellschaftliches Engagement und unternehmerische Verantwortung des ZDF.“ Noch lyrischer? Noch lyrischer! „Glaubwürdig und nachhaltig kommunizieren“, oder, wer bietet mehr: „Soziale, ökologische und ökonomische Verantwortung“.

Das Knarren eines iranischen Galgens. Da hängen ja manchmal sogar Journalisten dran.

Eine Antwort to “Öffentlich-rechtlich-schizophren: Besucherbetreuung auf hohem Niveau oder doch mehr Kritischer Dialog?”

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